Donnerstag, 12. März 2009
Die Lehrer sind wieder einmal zum Gegenstand öffentlicher Debatten und Kritik geworden. „Faul & unmotiviert? Unsere Lehrer im Kreuzfeuer" titelte das österreichische Nachrichtenmagazin NEWS am
5. März aus Anlass eines Plans der Unterrichtsministerin, im Rahmen eines Schulreformprogramms die Zahl der Unterrichtsstunden für Lehrerinnen und Lehrer zu erhöhen. Aber das ist nicht mehr als einer
von vielen Anlässen, aus denen die Lehrerschaft in die öffentliche Kritik gerät. Lehrer-Bashing ist in, seit Jahren schon und wie es scheint, besonders in Deutschland und Österreich. Die Verteidiger
der Lehrerschaft verweisen dann gerne auf die schwieriger werdenden Kinder und die vielen neuen Aufgaben angesichts des (behaupteten) Versagens der Familien. Aber eine solche Verteidigung verstärkt
den Imageverfalls des Lehrerberufs nur noch, denn sie bewirkt eher Mitleid als Anerkennung für die eigentliche Leistung dieses Berufs: jungen Menschen durch Auseinandersetzung mit der im weitesten
Sinne kulturellen Überlieferung Orientierung und Handeln in der Welt zu ermöglichen.
Es sind wohl mehrere Problemschichten, die sich um den Lehrerberuf gelagert und die zum Verfall des öffentlichen Ansehens dieses Berufs geführt haben. Da ist zunächst eine im internationalen
Vergleich besondere Situation deutscher und österreichischer Lehrer: die Verbindung von großer Arbeitsplatzsicherheit mit vergleichsweise geringer Präsenzpflicht an den Schulen. Der erste Aspekt
führt zu dem in der Tat gravierenden Problem, dass die Minderzahl der Lehrerinnen und Lehrer, die sich in der Berufspraxis als für diesen Beruf nicht geeignet erweisen, gleichwohl teilweise über
Jahrzehnte mitgeschleppt werden muss. Der zweite Aspekt hat zur Folge, dass ein großer Teil der Arbeit gerade der besonders engagierten Lehrerinnen und Lehrer für Außenstehende nicht sichtbar ist.
Beides zusammen weckt Skepsis und Neid in der Öffentlichkeit.
Aber diese Probleme bleiben an der Oberfläche. Sie ließen sich relativ leicht lösen durch eine Abschaffung des Beamtenstatus für Lehrer und durch eine Neuregelung der Arbeitszeit, die sich nicht mehr
alleine an der Zahl der zu haltenden Unterrichtsstunden, sondern an den Gesamtaufgaben der Schule orientiert. Beides ist auf mittlere Sicht auch unvermeidbar. Dennoch wird damit der Lehrer zunächst
nur zum Angestellten einer öffentlichen Einrichtung – um deren Ansehen es allein dadurch noch nicht besser steht. Der Kern des Imageverlustes dürfte wohl darin zu suchen sein, dass Schule und Lehrer
ihre oben genannte eigentliche Leistung nicht mehr zureichend erfüllen. Schule wird nicht mehr als kulturelles Zentrum, Lehrerinnen und Lehrer werden nicht mehr als Repräsentanten einer kulturellen
Tradition wahrgenommen, die sie im Auftrag der Gesellschaft an die nächste Generation weitergeben. Die Schule soll zwar alle möglichen Leistungen erbringen, aber sie weiß kaum mehr, wofür sie als
Institution steht. Die aktuelle Einführung von „Bildungsstandards" verschärft dieses Problem in gewisser Weise noch, weil sie – so sinnvoll die damit verbundene Kompetenzorientierung ist! – den Blick
noch mehr auf die Details fachlicher Leistungen und noch weniger auf deren Bedeutung im Rahmen der Gesamtaufgaben der Schule richtet.
Mit anderen Worten: Dass es der Schule bislang nicht gelungen ist, an die Stelle der älteren humanistischen Bildungsidee eine neue, moderne Bildungsvorstellung zu setzen, die ihren Sinn als
Institution (modischer gesprochen: ihre corporate identity) auf eine allgemein anerkannte Weise begründen kann, ist wohl das eigentliche Problem des Lehrerberufs. Man weiß nicht recht, wofür er
steht. Und dieses Diffuse im beruflichen Selbstbild lockt leider oft besonders diejenigen, die meinen, die Anforderungen dieses Berufs aus der Anschauung der eigenen Lehrer während der Schulzeit
hinreichend zu kennen. Aber genau durch diesen Mechanismus gelingt es zu wenig, die besonders Neugierigen, Innovativen, Phantasievollen und Leistungsbereiten in der jungen Generation für den
Lehrerberuf zu interessieren – was das Imageproblem der Lehrerschaft wiederum verstärkt.