Fatale Metaphern

Donnerstag, 25. September 2008

 

Kürzlich (am 9.9.08) schrieb Nils Minkmar im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine Glosse über die „Surrealistische Partei Deutschlands". Vordergründig ging es um die öffentliche Darstellung des Wechsels im Parteivorsitz der SPD. Aber Minkmar lieferte eine tiefer gehende Kritik der politischen Kommunikation des Führungspersonals in allen Parteien: „... das Land braucht kein ständiges ‚Weiter so' und schon gar nicht die öden Mini-Macho- und Malochermetaphern der ewigen Pragmatiker, die immer den ‚Karren aus dem Dreck ziehen', ‚anpacken', ‚stehen' und, Ärmel hochkrempelnd, den Gürtel enger schnallen wollen, um mehr Tore zu schießen." Das ist treffend auf den Punkt gebracht. Die politische Sprache ist voller Metaphern; Metaphern sollen etwas verständlich machen, indem sie Analogien zu etwas Bekanntem herstellen. Das ist für die menschliche Verständigung über die Welt unabdingbar. Was aber, wenn dieses - scheinbar - Bekannte längst nicht mehr zur Lebenswelt der meisten Menschen gehört? So wie die religiöse Bildersprache oft nicht mehr verständlich ist, weil sie sich metaphorisch auf die Welt der alten Agrargesellschaft bezieht, so entfernt sich eine politische Sprache, die mit Bildern aus der Arbeitswelt des Industriezeitalters werben will, immer mehr von Erfahrungen und Lebensgefühl vieler Menschen, besonders in den modernen Milieus.
Vermutlich trägt diese Sprache nicht unerheblich zur Politikdistanz gerade in den sozialen Gruppen bei, die sich als Leistungsträger der modernen Gesell-schaft sehen: Der politische Betrieb wird als etwas Gestriges, aus einer untergehenden Welt stammendes wahrgenommen. Ob dies der tatsächlichen Praxis dieses Betriebs entspricht, ist zweitrangig, denn „Politikverdrossenheit" schafft sich ihre eigene, politisch wirkmächtige Wirklichkeit.
Politische Bildung sollte dieser Seite der politischen Kommunikation, der metaphorischen Sprache und den Verständnissen, die sie er- und verschließt, mehr Aufmerksamkeit widmen. Analyse und Kritik der politischen Sprache können wichtige Aufgaben politischer Bildung sein, mehr noch vielleicht die experimentelle Suche nach einer anderen, moderneren Metaphorik. Was meinte ein Politiker mit einem bestimmten Sprachbild und wie könnten wir (eine Schulklasse, eine Jugendgruppe, ein Kurs der Erwachsenenbildung) das so und anders formulieren, durchaus auch mit anderen Metaphern, dass es uns plausibel wird? Vielleicht wäre das eine gute Übung gegen Politikdistanz.

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© Wolfgang Sander