"Politische Bildung" als Hetze

Dienstag, 2. Juni 2009

 

In Österreich hat die rechtsgerichtete FPÖ vor der Europawahl (wieder einmal) einen handfesten Skandal provoziert. In großer Auflage wurde ein Comic mit personalisiertem Begleitbrief an junge Wählerinnen und Wähler verschickt, in dem in massiver Weise politische Hetze betrieben wird. „HC's (nach Heinz-Christian Strache, Parteichef der FPÖ) Kampf für die Freiheit gegen eine zentrale EU" heißt das Machwerk.
„Keine Parteiwerbung" sei das, es gehe „um politische Bildung und Info, die nicht langweilig ist", wird gleich zu Beginn betont. Der durchsichtige Grund: Verantwortlich zeichnet das Bildungsinstitut der FPÖ und das bekommt staatliche Gelder eben nur für staatsbürgerliche und politische Bildung. Aber mit politischer Bildung hat dieser Comic nichts zu tun. Politiker, die die EU unterstützen, werden als „Volksverräter" bezeichnet, EU-Kommissare plündern die Mitgliedsstaaten aus, um ihr „Luxusleben" zu finanzieren: „Gelage, Bankette, Abschmieren, Korruption". Einen „öden Einheitsbrei" will die EU, „wie Klone sollen alle sein". Die Institutionen der EU in Brüssel sind das „Epizentrum übler Machenschaften und finsterer Absichten. Hier regiert das Negative. Die positiven Kräfte sind eine verschwindend kleine Minderheit. Es regieren Geld, Machtgeilheit und Gier..."
Die Bildsprache ist noch drastischer. Brüssel als Machtzentrum der EU wird in Anlehnung an die „Darth Vader"-Figur aus der Filmreihe „Krieg der Sterne", also als Inkarnation des Bösen dargestellt. Im Inneren dieses Zentrum glänzt alles golden, es gibt den „Sodom Club", beherrscht wird alles von einem Geld fressenden fetten Schwein. Frauen tauchen in dem Comic nur als großbusige Sexsymbole oder dümmliche Elfen auf.
Dieses Heft ist nicht nur Indoktrination und damit das Gegenteil von politischer Bildung. Es ist extremistische Hetze gegen Demokraten und gegen Institutionen der europäischen Demokratien. „Und wer finanziert bitteschön den ganzen Unfug?", fragt „HC" an einer Stelle in dem Heft. Bezogen auf diese Hetzschrift muss man wohl befürchten: der österreichische Steuerzahler über die staatliche Finanzierung des FPÖ-Bildungsinstituts.
Riskieren kann die FPÖ dies wohl nur, weil sie darauf spekuliert, dass es über das, was als politische Bildung gelten kann und was nicht, noch keinen geklärten und im Zweifelsfall auch justiziablen gesellschaftlichen Konsens im Land gibt. Vielleicht kann diese Hetzschrift zum Anlass dafür werden, einen solchen Konsens unter Demokraten herzustellen. Im österreichischen Gesetz, das die Finanzierung von parteinahen Bildungsinstituten regelt, heißt es: „Der Bund hat satzungswidrig oder gesetzwidrig verwendete Förderungsmittel von dem in Betracht kommenden Rechtsträger zurückzuverlangen." Dies sollte hier konsequent betrieben werden. Und sonst? Mehr und bessere politische Bildung, damit solche Pamphlete wegen des absehbaren Misserfolgs bei den Adressaten nicht mehr produziert werden.

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© Wolfgang Sander